Sonnabend, der 28. Oktober 2017 – 7. Reisetag

Derzeit sind wir in Witebsk und sollten am Nachmittag Familien besuchen. Alle waren aufgeregt! Die Teilnehmer, die keine besonderen Wünsche geäußert hatten, wurden zu einer Gruppe zusammen gefasst. Sergej (d.Gr.) verlas 6 Namen, die vom Gymnasium Nr. 4 betreut werden sollten. Dazu gehörte auch ich, Elfie Lutz. Zuerst sollten wir gemeinsam zur Schule fahren und dort ein Kulturprogramm geboten bekommen, danach würden wir aufgeteilt.

Als dann kurz nach 14:00 Uhr eine gut aussehende, 33-jährige, recht lebhafte Frau kam, die sich als Natascha Gupp vorstellte, mit einem jungen Mädchen, Eleonora Kalko, welches als Germanistikstudentin dolmetschen sollte, schickte Sergej plötzlich nur das Ehepaar Gisela und Frank Mende, Edeltraut Geese und mich mit. Sehr bemüht begrüßte uns Natascha mit „Guten Tag“. Wie sich später herausstellte, hatte ihre 14-jährige Tochter Karina lange mit ihr diese deutsche Begrüßung geübt. Als wir alle 4 mit „Dobry Djen“ in Russisch antworteten, war sie vor Freude ganz aus dem Häuschen, aber auch sehr erstaunt, woher wir diese Kenntnisse der russischen Sprache besaßen.  Diese wenigen Worte genügten ihr, uns als Sprachkundige einzustufen. Aus diesem Grund sprudelte es, während sie uns nun zu ihrem Auto führte und auch während der Fahrt zu ihrem Anwesen in einem ländlichen Bereich oder Vorort von Witebsk, in Russisch nur so aus ihr heraus. Da Eleonora als 6. Person nicht mehr in das Kfz passte, fuhr sie separat; versicherte uns aber, dass sie nachkäme. Unterwegs fuhren wir an einem Gebäude vorbei, welches von Natascha als das betreffende Gymnasium bezeichnet wurde, in das ihre Tochter gehe. Ihr waren eigentlich 2 Paare avisiert worden und von einer Kulturveranstaltung in der Schule wusste sie nichts. So fuhr sie mit uns direkt zu sich nach Hause. Dort wurden wir schon gespannt erwartet: von  Nataschas Kindern Karina und deren jüngerem Bruder German sowie der 32-jährigen Nachbarin Vika (Viktoria) Janchenko und ihrem Sohn, wohl so alt wie German. Die Jungs waren in etwa 8 bis 10 Jahre, lebhafte aufgeweckte Kerlchen.

Der Familienvater Anton Gupp und Vika´s Mann mussten bis zum Abend arbeiten.
Nach einer sehr herzlichen Begrüßung und gegenseitigen Vorstellung wurden wir ins Wohnzimmer geführt, wo der Tisch schon reichlich mit Speisen und Getränken gedeckt war. Nun wurde erst einmal angestoßen! Da ich Hochprozentiges nicht mag, wollte ich mich drücken; aber von Natascha kam ein „tschut tschut“ unterstützt von Daumen und Zeigefinger, deren Abstand „ein wenig“ signalisieren sollte. Nun ja, ich bin ja kein Spielverderber und habe mir deshalb Etwas einschenken lassen mit dem Bemerk „Po probu“. Unter angeregtem Frage- und Antwortaustausch, von allem kosten, immer wieder unterbrochen von „tschut tschut“, verging die Zeit wie im Flug. Dabei wurde uns beigebracht, wie man eigentlich richtig in russischen Gefilden trinkt. Man hat das Schnapsglas zwischen Daumen und kleinem Finger zu halten. Das war für uns eine wirkliche Herausforderung und Fingerübung.

Bis dato hatten wir gemeint, Natascha und Vika wären Lehrerinnen am Gymnasium Nr. 4. Weit gefehlt! Vika ist Kindergärtnerin und Natascha betreibt mit ihrem Mann ein Transportunternehmen mit 10 Fahrzeugen, das international tätig ist. Allerdings weiß ich bis jetzt nicht, ob ihnen diese Firma gehört oder sie nur angestellt sind. Anton ist der Geschäftsführer und sie ist Sekretärin, Dispatcherin und Mädchen für Alles in Personalunion. Karina war erst kürzlich eine Woche in Eisenhüttenstadt während eines Schüleraustauschs. Am Schluss des Tages meinte sie dann, dass sie in dieser Zeit bei Alexander´s Eltern nicht so viel erfahren und gelernt hätte wie in den paar Stunden mit uns.

Eleonora haben wir m.E. nicht zu sehr strapaziert, da wir mit unserem Russisch sowie Händen und Füßen meistenteils recht gut zurecht kamen. Sie wirkte auch sehr zufrieden.

Als schon nichts mehr in uns rein ging, wurde beschlossen das Grundstück zu besichtigen und ein paar Schritte durch die Umgebung zu laufen. Gesagt, getan! Die anfallenden Arbeiten auf dem Grundstück hatte bisher Anton´s Vater erledigt, der aber vor Kurzem verstorben ist. Der Familie fehlt aber noch die Zeit, die Nachfolge in der Arbeit anzutreten. Das Haus hat auch noch viel Material, Zeit und Geld nötig, bis es ein kleines Schmuckstück ist. Aber so nach und nach wird es werden!

Die Straße mit ihren Grundstücken und auch die nähere Umgebung mutet wie ein Dorf an. Ob es eines ist, weiß ich nicht. Dort sahen wir auch am Straßenrand Sträucher, deren schwarze Früchte uns unbekannt waren und deshalb neugierig machten. Karina hat dann mit ihrem Handy im Internet recherchiert. Es handelte sich um Aronia-Sträucher. Eine beschädigte Kirche sahen wir auch an der Straßenecke.

Während dieses Nachmittags wurde auch viel fotografiert und Kontaktdaten getauscht.

Zurück im Haus ging es mit Essen und Trinken weiter. So zauberte die Hausfrau eine ausgesprochen hohe Walnusstorte aus der Kühlung, die sie in der Nacht gebacken hatte und noch ein ganzes Huhn. Im Übrigen waren alle Speisen selbst hergestellt durch Braten, Kochen, Einlegen oder Konservieren. Die meisten Zutaten waren entweder selbst gesammelt oder aus dem eigenen Garten. Inzwischen wurde auch dunkles Bier angeboten, das Frank nach einer Probe ablehnte, von mir aber sehr begrüßt wurde. So prostete ich bei jedem Trinkspruch nun mit Sowjetskoje Schampanskoje oder Bier, während die Anderen neben dem Champagner sich an Wodka oder braunen „Balsam“ hielten.

Als wir, die Gäste, der Meinung waren, dass sich auf Grund der Uhrzeit (ca. 19:30 Uhr) das Treffen dem Ende zuneigt, übergaben wir unsere mitgebrachten Geschenke. Da uns im Vorfeld nichts bekannt war über die zu erwartenden Gastgeber, hatten wir für alle Eventualitäten vorgesorgt. Edeltraut, die mit der Übergabe anfing, hatte eindeutig „den Vogel abgeschossen“, wie man landläufig sagt. Zuerst brachte sie nämlich 3 verschiedene, aus weißer und cremefarbener Wolle von ihr selbstgestrickte, Damenschals zum Vorschein. Wer sich mehr von den 3 Beschenkten (Natascha, Karina, Vika) freute ist gar nicht zu sagen. Jedenfalls wurden die Kreationen sofort umgebunden, entsprechend drapiert und zum Fotoshooting genutzt.

Als dann Anton nach Hause kam, fand durch seine Frau im Schnelldurchlauf unsere Vorstellung statt. Auch er musste sich noch dazu setzen und außer essen noch mit uns anstoßen. „Tschut tschut“ war zum geflügelten Wort geworden, unabhängig der eingeschenkten Menge. Für alle bedeutete es inzwischen: Wir stoßen wieder an! Edeltraut ernannte uns Deutsche daraufhin zur „Tschut tschut- Gruppe“. Die Jungs hatten sich schon lange zurück gezogen mit ihren Handys und den sich darauf befindlichen Spielen. German war später dann auch bereits eingeschlafen.

Inzwischen war es 21:00 Uhr geworden und wir drängten zum Aufbruch. Doch bis dahin verging noch etwas Zeit, da wir uns noch so viel zu sagen hatten, noch mehrmals zuprosteten und fotografierten. Anton brachte schlussendlich unsere feuchtfröhliche Gesellschaft zurück ins Hotel, das wir gegen 22:00 Uhr erreichten.

Für unsere kleine deutsche Gruppe stand fest: Es war ein unvergesslicher Nachmittag und Abend!

Noch vor dem Schlafengehen wechselten per WhatsApp die ersten Fotos die Besitzer.

Elfie Lutz

 

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