Sitzung des Arbeitskreises am 01.03.2022    TOP 1 – Statement zur Städtepartnerschaft mit Witebsk

Klaus Baldauf bittet die Anwesenden ausgehend von der aktiven Beteiligung des belarussischen Staates an dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine um ihre Meinung zur Aufrechterhaltung oder Auflösung der Städtepartnerschaft mit Witebsk. Er informiert darüber, dass Zielona Gora die Städtepartnerschaft für beendet erklärt habe.

Statement des Arbeitskreises zu diesem Thema:

In seiner Sitzung am 01. März hat der Arbeitskreis Witebsk darüber beraten, ob die seit 30 Jahren bestehende Städtepartnerschaft unter dem Eindruck des verbrecherischen Angriffs auf die Ukraine beendet werden sollte.


Die Mitglieder votierten mit einem einstimmigen NEIN.

Die Initiative zur verstärkten Gründung von Städtepartnerschaften nach dem 2. Weltkrieg war getragen von dem Willen zur Völkerverständigung „von unten“.

Die Aussöhnung zwischen den Völkern Europas und die kommunale Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg standen damals auf der Tagesordnung.

In den 80er Jahren wurden dann auch als Zeichen von Entspannung Beziehungen über die Systemgrenzen hinweg geschlossen.

So beteiligte sich Frankfurt (Oder) mit der Aufnahme einer Partnerschaft mit dem französischen Nîmes, dem finnischen Vantaa und der westdeutschen Stadt Heilbronn aktiv an dieser Bewegung.

Die ursprünglichen Ziele von Städtepartnerschaften haben unserer Meinung nach nichts an ihrer Aktualität verloren. Daher haben wir unsere Zusammenarbeit mit Witebsker Arbeitspartnern auch in der Zeit überzeugend fortgesetzt, als die offizielle Politik in Belarus zunehmend demokratische Kräfte mit Gewalt unterdrückte und sich die Kommunalverwaltung in Witebsk kaum an Aktivitäten beteiligte oder unterstützte. Unsere Ausstellung zum 30. Jahrestag trug genau aus diesem Grund den Titel. „Wir leben unsere Städtepartnerschaft…trotz…“.

Das Zusammenwirken auf zivilgesellschaftlicher Ebene sollte aus unserer Sicht ohne Einschränkung fortgesetzt werden.

Unsere Arbeitspartner in Witebsk lehnen den Krieg ab, schämen sich für diese menschenverachtende Politik und wünschen, dass wir Freunde bleiben.

Unsere längerfristigen weiteren Vorhaben richten sich insbesondere an junge Menschen aus Belarus; die Einbeziehung Jugendlicher der Ukraine und unser Einsatz für Frieden ist uns dabei ein besonderes Anliegen.

Auch wenn Frankfurts Oberbürgermeister sich inzwischen dazu positioniert hat, die offizielle Städtepartnerschaft aussetzen zu lassen, bewertet er unsere Aktivitäten durchaus sehr positiv und bestärkt uns darin, unsere zivilgesellschaftlichen Kontakte weiterhin zu pflegen.

Hier sein Facebook- Statemant:

Städtepartnerschaft aussetzen - Abgrenzung gegenüber den Kriegs-Regierungen - Keine Ausgrenzung von RussInnen und WeißrussInnen
Liebe FrankfurterInnen,
ihre Hilfs- und Spendenbereitschaft ist großartig! Derzeit leisten die FrankfurterInnen großartiges in der konkreten humanitären Hilfe für Menschen aus dem Kriegsgebiet. Sie tun das gemeinsam mit Menschen aus verschiedensten Ländern. RussInnen, WeißrussInnen und UkrainerInnen stehen Seite an Seite mit vielen anderen auf den Bahngleisen und unterstützen gemeinsam ankommende Menschen.
Deshalb ist auch mir noch mal wichtig zu betonen, dass ein pauschales in Mithaftung nehmen der russischen Bevölkerung, für das Handeln der Regierung falsch ist. Lassen Sie uns auch dazu eine klare Haltung bewahren und nicht auseinanderbringen. Die Menschen wollen Frieden!
Neben der konkreten humanitären Hilfe gibt es aber auch weiterhin symbolische Aktionen, die unserer Haltung und Meinung zum Krieg Ausdruck verleihen. Wöchentliche Kundgebungen an der Friedensglocke (Freitag, 16:30 Uhr), das Kleist Forum beleuchtet in den Farben der ukrainischen Flagge, die Mayors for Peace Beflaggung. All das und vieles mehr soll unserer Solidarität mit der Ukraine Ausdruck verleihen und deutlich machen, dass wir Putins Krieg und die aktive Unterstützung durch Lukaschenko verurteilen!
Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang ist unsere Städtepartnerschaft mit Witebsk (Weißrussland).
Fakt ist leider, dass das staatliche Regime in Weißrussland diesen Krieg aktiv unterstützt. Ein Krieg der täglich so viel Leid produziert, dass wir auch hier am Bahnhof Frankfurt (Oder) erleben und sehen können - tausendfach. Jeden Tag.
Fakt ist auch, dass die offizielle Ebene aus Witebsk, seit langer Zeit nicht mehr mit uns spricht. Keine Reaktion oder Absagen auf Briefe, auf Einladungen, auf Gesprächsangebote. Partnerschaft und Dialog geht aber nur wenn beide Seite dazu bereit und willens sind. Das erkenne ich bei Witebsk derzeit überhaupt nicht. Seit 4 Jahren hatte ich keinen Kontakt zu offizieller Stelle dort. Und es gab mehrere Versuche.
Partnerschaft hat seine Höhen und Tiefen. Aber ist - nach der Belarus-Krise kürzlich und den staatlichen Repressionen dort - nun ein Krieg und das Töten und Entwurzeln von Menschen, einfach nur mal wieder ein kleiner Tiefpunkt? Ein Tiefpunkt auf den dann gemeinsames, fröhliches Feiern beim Bunten Hering folgt? Nein. Das kann ich so nicht sehen.
Deshalb reagieren wir in zweierlei Weise: Den offiziellen Strukturen sagen wir deutlich: Davon grenzen wir uns ab und wünschen uns, dass ihr selbiges tut! Wir kündigen auch nicht - wir setzen aus. In der Hoffnung, dass Dinge sich ändern können und Gesprächsgrundlagen/Gesprächsbereitschaft wieder entstehen. In der Hoffnung, dass Annäherung möglich ist. Wir bleiben offen dafür!
Zugleich gilt ausdrücklich: Mit der witebsker Zivilgesellschaft bleiben wir in Kontakt. Die eigentliche Städtepartnerschaft läuft seit Jahren über den „Arbeitskreis Witebsk“. Dort sind aber auf weißrussischer Seite keine offiziellen, sondern zivilgesellschaftliche Akteure. Soweit es ihnen möglich und gestattet ist (das war in den vergangenen Monaten nicht einfach), sind wir mit ihnen im Dialog, teilen Wissen und Informationen, lassen die Verbindung zu den Menschen nicht abreißen. Denn ich bin auch ganz bei jenen, die sich gegen das in Mithaftung nehmen der Bevölkerung stellen. Russen und Weißrussen sind nicht schuld an diesem Krieg. Das sind die Regierungen. Und auch nur und ausschließlich denen gegenüber grenzen wir uns ab und setzen dieses zweigeteilte Zeichen gegen das Kriegshandeln der Regierenden und für die menschliche Verbindung zu unseren FreundInnen in Weißrussland.
Entscheiden werde darüber aber nicht ich, sondern die Stadtverordnetenversammlung.
Ihr
René Wilke

 

Eine Mitteilung eines ehemaligen Witebsker Teilnehmers des Sommercamps der Partnerstädte bestärkt uns dabei, unsere zivilgesellschaftlichen Kontakte weiter zu pflegen und so auch über die schrecklichen Kriegsereignisse in der Ukraine zu informieren:

2022 03 11 20 27 13 Statement Witebsk

 

Hier auch ein Leserbreif an die MOZ als Antwort auf den Artikel vom 10.03.2022 von Hagen Weinberg und Ingrid Stelzner- Weinberg:

An die Redaktion des Frankfurter Stadtboten    Zum Beitrag "Städtepartnerschaft mit Witebsk soll ausgesetzt werden"

An die Verwaltungsspitze der Stadt geht die Frage, warum dieses Thema jetzt so hochgespielt wird? Eine bereits mehrere Jahre „ausgesetzte“  Städtepartnerschaft der Verwaltungsspitzen muss doch nicht mehr ausgesetzt werden! Warum jetzt das Thema bis hin zu der Frage einer Aufkündigung?

Brückenbauer will die Stadt sein, gut so! Brücken aber zum Einsturz bringen, ist dem Anliegen, Begegnungen und Gespräche mit anderen Menschen, Auge in Auge zu ermöglichen, abträglich. Daran sollte man denken!  

Die Verbindung zu den Menschen in Witebsk beruht zur Zeit allein auf Einzelverträgen von Vereinen und Einrichtungen der Stadt Frankfurt (O), die aber auf der Grundlage der Städtepartnerschaft basieren.

Diese Einzelverträge leben noch, werden nach den gegebenen Möglichkeiten ausgestaltet. Wenig, aber es gibt noch Beziehungen, zwischen Menschen beider Städte.

Wir können nur an die Stadtverordneten appellieren:  – neue Brücken zu neuen Städten in noch mehr Ländern und ihren Menschen, „ ja“;  – Brücken zu Menschen, die gewillt sind, friedlich, freundschaftlich und solidarisch zusammenzuarbeiten, zum Einsturz bringen  „nein“. Hier werden wieder Lebensaktivitäten von Menschen, die sich über Jahrzehnte für den Erhalt des Friedens auf der Erde, aber auch für den kleinen Frieden zwischen Menschen eingesetzt haben, zunichte gemacht. Wir wollen nicht daran denken, wie es den Partnern, Freunden, Kindern in Witebsk geht, wenn sie das von der Partnerstadt Frankfurt (O) vernehmen!?

Ein aus der Zeitung vernommenes Vorhaben – mit offiziellem Aussetzen bzw. Kündigen der Beziehungen, würde allen vorhandenen Initiativen zwischen Menschen beider Städte die Grundlagen entziehen und wäre, nach unserem Empfinden, kein Beitrag für Frieden, Freundschaft und den Zusammenhalt der Zivilgesellschaft! Es ist dann ein Keil, der weiter trennt und uns voneinander entfernt.

Mit SODI e.V. (Solidaritätsdienst International) haben in den letzten 30 Jahren  100e von Menschen aus der Oder/Spree Region in Witebsk geweilt,  haben diese Freundschaft gelebt und erlebt.  Ein Volk, wird nun einfach pauschal „abserviert“. Was im II. Weltkrieg unter den Deutschen so leiden musste, welches unsere Freundeshand ergriff, was sollen diese Menschen in BY von uns denken?

Nach einer solchen  Enttäuschung sind die Seelen leer! Sind wir jetzt wieder Feinde, verordnet von oben?                      

  Hagen Weinberg                                                                                                Ingrid Stelzner-Weinberg

 

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